Es gab eine Zeit, da suchte ich nach dem Sinn in meinem Leben wie ein Goldgräber nach einem Schatz. In allen möglichen Lebensbereichen setze ich mir Ziele nach der vielversprechenden SMART-Methode. „Wenn ich sie doch nur schon alle erreicht hätte“, schnaubte mein ungeduldiger Verstand, „dann könnte ich endlich glücklich sein!“.
Von wegen! Mein Kopf war darauf trainiert, nur in die Zukunft zu blicken. Nicht wie ein Prophet, sondern wie ein Ausreiser, der das Glück in der Ferne sucht. Kaum war ein Ziel erreicht, sagte er: „Super! Und wohin geht’s als Nächstes?“
Was die teuflische Stimme im Oberstübchen dagegen losließ, wenn ich meine Zwischenziele nicht erreichte, erspare ich dir an dieser Stelle.
Das Zielesetzen hat mich jedenfalls nicht glücklich gemacht, weil es kein Ankommen gab. Ich konzentrierte mich auf das, was fehlte und sah nicht, was ich hatte. Immer musste ein neuer Sinn her, sonst breitete sich in mir Leere aus.
Dann gab es eine Zeit, da lebte ich frei von jeglicher Zweckbestimmung. Ich weilte mehr im Augenblick. Jede freie Stunde genoss ich in vollen Zügen. Was ich auch unternahm, es diente der Freude. Und ich war sehr glücklich! Abgesehen von meinen existenziellen Verpflichtungen hatte ich mir keinerlei Bürden aufgelastet. Freizeit war freie Zeit.
Irgendwann meldete sich die Stimme der Vernunft abermals. Sie meinte, ich bräuchte ein höheres Bestreben, um meine Lebenszeit sinnvoll zu nutzen. Ich könnte unmöglich ziellos glücklich sein. Ein junger Mensch müsste doch bestimmte Absichten haben, Erfolge anstreben und einen Plan verfolgen. Was würde anderenfalls aus meinen Träumen werden?
Ohne Sinn glücklich zu sein, war für mich also ebenfalls kein andauernder Genuss.
Was macht ein sinnvolles Leben aus?
Wir Menschen wollen unser Leben mit Sinn füllen. Nur auf der Welt zu sein, um das Leben zu genießen, genügt offenbar nicht.
Kein Wunder, werden wir doch von Kindheit an zur Nützlichkeit erzogen. Wir müssen fleißig lernen und gute Noten erzielen, um später einer sinnvollen Tätigkeit – einem Job – nachzugehen. Alles ist darauf ausgelegt, etwas zu erreichen, produktiv zu sein.
Sind wir erst einmal im Berufsleben angekommen, stellen wir bald den Sinn unseres Daseins infrage. Spätestens, wenn sich die Unzufriedenheit von innen durch unsere Bauchdecke frisst, reicht der normale Job nicht mehr aus. Wir brauchen noch irgendetwas anderes. Denn unmöglich können wir mit dem Erreichten schon zufrieden sein. Wir wollen mehr!
Mehr von was eigentlich?
Die Möglichkeiten sind vielfältig. Ich könnte Sinn darin finden, ein Buch zu schreiben. Ich könnte die Welt bereisen und sämtliche Sprachen lernen. Ich könnte Kinder großziehen, jeden Tag einen Baum pflanzen oder verwundete Geparden in Namibia aufpäppeln. Ich könnte mein Leben damit verbringen, eine Karriereleiter hinaufzuklettern, ein Vermögen anzusparen oder jeden Euro in den Kredit für prestigeträchtige Statussymbole stecken.
Mit den Zielen, die wir uns vornehmen, gaukeln wir dem Leben einen Sinn vor. Wir können nicht einfach dasitzen und sagen, wir sind und haben genug. Wir wollen uns unsterblich machen. Aber im Vergleich mit anderen beschleicht uns stets der demütigende Eindruck, noch nicht vorangekommen zu sein.
Auf der Suche nach dem Sinn vernachlässigen wir die kleinen Momente des Glücks – und das frustriert!
Wie glücklich macht ein genussvolles Leben?
Stell dir vor, du könntest für den Rest deines Lebens den ganzen Tag lang machen, worauf du Lust hättest – ohne Pflichten, ohne Termine und ohne Druck irgendetwas erreichen zu müssen. Hört sich erst mal befreiend an, oder? Innerhalb von ein paar Tagen, Wochen oder Monaten würde sich jedoch eine graue Decke der Langeweile über deine genüssliche Freiheit ausbreiten.
Denn ob du jeden Tag ein Glas Wein trinkst, dein Lieblingslied hörst oder zur Massage gehst – nach einiger Zeit macht es dich nicht mehr so happy wie am Anfang. Dann brauchst du entweder mehr davon oder ganz neue Reize.
Immer mehr von einer Sache zu wollen, macht schnell abhängig.
Auch ständig nach neuen Reizen zu suchen, ist nicht nur anstrengend, sondern wird bald zur besessenen Jagd nach dem Glück.
Weder die eine Variante noch die andere ist demnach gut für uns. Denn wenn der Genuss zur Gewöhnung wird, macht er uns süchtig und unglücklich!
Glücklich mit Sinn und Genuss
Wenn weder die Suche nach Sinn noch das Streben nach Genuss uns dauerhaft glücklich machen, wie werden wir dann zufrieden?
Indem wir beides miteinander verflechten!
Sinnvoll leben mit Genuss
Ich habe aufgehört, den Sinn in fernen Zielen zu suchen. Stattdessen vereinbare ich Termine für mich und meine Leidenschaften, in denen ich das, was ich tue, mit Genuss und Freude erlebe. Ziele verderben mir nur den Spaß. Das Leben ist ernst genug. Wäre es ein Spiel, das ich unbedingt gewinnen muss, hätte ich bereits verloren. Und zwar die Leichtigkeit und mein Vergnügen.
Nicht jeder kann als Sieger aus dem Rennen gehen. Freuen wir uns lieber darüber, überhaupt am Rennen teilnehmen zu dürfen. Wer von den unzähligen Menschen, die hätten geboren werden können, kann schon behaupten, hier dabei gewesen zu sein? Im Grunde sind wir, die diese Welt bewusst erleben, alle Gewinner!
Genießen mit allen Sinnen
Meist sprinten wir in hohem Tempo durchs Leben, weil wir anerkannt werden wollen. Möglicherweise wurden wir in jungen Jahren zu wenig geliebt und bestätigt, was uns zu ewig Suchenden macht. Doch wenn wir schnell leben, stehen wir gefühlt früher vorm Ende. Dann haben wir die kleinen Wunder am Wegesrand verpasst, die unser Herz mit Freude erfüllt hätten.
Deshalb sollten die kleinen Genussmomente des Lebens niemals zu kurz kommen! Integriere am besten drei genussvolle Erlebnisse in deinen Alltag.
Es darf dabei aber nicht zur Gewöhnung kommen. Genieße mit Bedacht!
Sobald wir merken, dass uns das Genussmittel der Wahl nicht mehr glücklich macht, haben wir es bereits zu oft genossen.
Die Kunst eines genussvollen Lebens besteht darin, für Abwechslung zu sorgen sowie zu wissen, wann wir von etwas genug bekommen haben. Und genug heißt nicht, sich den Wanst mit Süßigkeiten vollzustopfen, bis er randvoll ist. Sondern innezuhalten, selbst wenn du dir noch mehr nehmen könntest.
Genuss findest du währenddessen überall da, wo deine Sinne angesprochen werden und du dich im Hier und Jetzt entspannst: Ob das die eigenhändige Zubereitung eines köstlichen Cappuccinos ist, ein Musik-Hörerlebnis im eigenen Wohnzimmer, ein wohliges Bad in deiner heimischen Wohlfühloase, ein Spaziergang durch den Märchenwald vor deiner Haustür, eine Meditation mit aromatischen Duftölen oder gemeinsame Zeit mit deinen Lieblingsmenschen. All das – und dir fällt bestimmt noch mehr ein – beschert dir Glücksmomente im Alltag. Vernachlässige sie niemals!
Mein Fazit
Mit der Balance zwischen Sinn und Genuss erreichen wir nachhaltigere Zufriedenheit.
Wir brauchen noch nicht einmal Ziele, um unser Leben sinnvoll zu verbringen. Was wir benötigen, ist die Liebe zu dem, was wir tun. Ob wir nun Kinder erziehen, einer Leidenschaft nachgehen oder unserem Job volle Aufmerksamkeit widmen: Wenn wir es mit Vergnügen tun, macht es für uns Sinn.
Mit ausgewählten Genussmomenten, die wir uns mehrmals täglich gönnen, verstärken wir unser Glücksgefühl zusätzlich.
Routinen für Tätigkeiten, die Willenskraft erfordern, sind hilfreich. Beim Genuss ist das anders: Er darf nicht zur Gewohnheit werden. Sorgen wir deshalb für Abwechslung, indem wir eine Auswahl verschiedener Genussmomente schaffen. Und bleiben wir maßvoll!
Was bedeutet für dich Sinn und Genuss? Und wie gelingt dir die Balance zwischen beiden?
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Liebe Annabel,
ein wirklich inspirierender Artikel, lieben Dank dafür!
Beim Lesen habe ich zwischendurch meine Tasse Kaffee ganz bewusst genießen können 😉
Ich glaube auch, dass es beim Glück um eine gute Balance geht zwischen sinnvollem Tun (das durchaus anstrengend sein darf) und bewusstem, maßvollem Genuss.
Dazu finde ich es auch wichtig, stets auf die eigene Stimme zu hören, und zu akzeptieren, dass jeder in etwas anderem sein Glück finden kann.
Herzliche Grüße
Deine Rebecca
Liebe Rebecca,
ich danke dir für deinen Kommentar. Es freut mich, dass ich dich inspirieren konnte. 🙂
Ja, auf die eigene Stimme, das eigene Gefühl zu hören, finde ich auch sehr wichtig. Bedürfnisse ändern sich immer mal wieder. Es gibt Zeiten, da möchte man sich richtig herausfordern. In anderen Zeiten stehen Ruhe und Ausgleich mehr im Vordergrund. Es lohnt sich also, hin und wieder in sich hineinzuhorchen, um festzustellen, was sich gerade richtig anfühlt. Das schützt vor Über-, aber auch Unterforderung.
Beste Grüße
Annabel